Münster, 4.12.2015

(2. überarbeitete Fassung vom 14.12.2015)

 

Offener Brief an die Befürworter des Syrieneinsatzes der Bundeswehr

 

Sehr geehrte/r Abgeordnete/r,

schade, dass Sie sich bei der heutigen Syrien-Abstimmung nicht zu einem NEIN durchringen konnten!

 

"Krieg gegen Terror" wird nie funktionieren, weil Krieg selbst Terror ist. Und ein Nebeneinander von militärischen und zivilen Maßnahmen ist Illusion (oder Schönfärberei?), denn militärische Maßnahmen zerstören die Möglichkeit von zivilen Maßnahmen.

 

Dazu ganz konkret:
Bei der Syrienkonferenz am 14.11.2015 in Wien beschlossen die Mitglieder der "Internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien" (ISSG: Arab League, China, Egypt, the EU, France, Germany, Iran, Iraq, Italy, Jordan, Lebanon, Oman, Qatar, Russia, Saudi Arabia, Turkey, United Arab Emirates, the United Kingdom, the United Nations, and the United States), einen Waffenstillstand anzustreben. Es sollten "sofortige Schritte für vertrauensbildende Maßnahmen" ergriffen werden. (Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/...)

Nun hätte man sich entscheiden können, diese diplomatischen Bemühungen zu intensivieren – aber das Gegenteil geschah. Der auch durch Sie beschlossene Bundeswehreinsatz unterläuft genau diese Bemühungen um eine Friedenslösung in Syrien!

 

"Solidarität mit Frankreich" ist selbstverständlich wichtig, gibt aber weder Grund noch Rechtsgrundlage für einen Auslandseinsatz der Bundeswehr!
Klar ist, dass die Täter größtenteils in Europa lebten, zum Teil Franzosen waren bzw. sogar in Frankreich an der Waffe ausgebildet wurden ... (Quelle: http://www.sueddeutsche.de/...)
Es war auf keinen Fall ein Angriff des Staates Syrien, vielmehr liegen die wichtigsten Wurzeln des Terrorangriffs in Stadtteilen wie Molenbeck und Paris-Saint-Denis. DORT ist also anzusetzen!

 

Abgesehen davon wurde der "IS" vom Westen selbst geschaffen durch den "Krieg gegen den Terror": Der "IS" entstand als irakischer Zweig von al-Qaida aus dem Widerstand gegen den völkerrechtswidrigen Angriff von USA und ihrer Verbündeten. (Quelle: https://www.versoehnungsbund.de/...)
Es ist absolut absehbar, dass der erneute "Krieg gegen den Terror" in Syrien den "IS" stärkt und weitere Terroristen rekrutiert. So, wie es auch seit Jahren der von Ramstein aus gesteuerte Drohnenkrieg tut ... (Quelle: http://www.sueddeutsche.de/...)

Ehemalige Piloten nennen das Drohnen-Programm ein "Terroristen-Rekrutierungsprogramm".
Diese Wurzel des Terrorismus wäre also im eigenen Land zu bekämpfen: Ramstein schließen! (Quelle: http://www.zeit.de/...)

 

Terroristen kann man nicht "wegbomben": Es gibt ihn nicht, den letzten Terroristen. (siehe dazu den Text des ehem. deutschen Staatssekretärs Heiner Flassbeck: http://www.infosperber.ch/...)

 

Nun hat man sich also wieder in einem Eilverfahren in einen Kriegseinsatz gestürzt ...
Keine Zeit, um rechtliche Zweifel zu prüfen? Oder sollte alles noch schnell beschlossen werden, bevor nächste Woche der Bundesparteitag der SPD beginnt??

 

Und rechtliche Bedenken werden ja durchaus von renommierten Juristen angemeldet, so z.B. vom Völkerrechtler Prof. Daniel-Erasmus Khan: "Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hätte gute Chancen". (Quelle: http://www.spiegel.de/...)

 

Peter Becker ist Co-Präsident der internationalen IALANA (International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms). In einem Schreiben vom 03.12.2015 (gestern) an den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags Dr. Norbert Röttgen führt Peter Becker aus, dass Völkerrecht und Grundgesetz den Einsatz in Syrien keineswegs zulassen. (Quelle: http://www.ialana.de/...)

Die beiden Dokumente von Peter Becker lege ich Ihnen bei (Anschreiben, Anlage) und bitte Sie, diese aufmerksam zu lesen.

 

Sehr empfehlen möchte ich auch das Interview im DLF mit Prof. Reinhard Merkel, Prof. für Strafrecht in Hamburg und Mitglied im deutschen Ethikrat: "Einsatz der Bundeswehr völkerrechtlich problematisch": http://www.deutschlandfunk.de/...

 

Mit freundlichen Grüßen
Martin Firgau

 

P.S.: In einem Eilverfahren wurde nun eine Entscheidung durchgeboxt, ohne vorher rechtliche (und andere) Bedenken ausreichend zu prüfen. Diese Entscheidung wird in der Folge vielen Zivilisten das Leben kosten, möglicherweise Terroranschläge in Deutschland provozieren, die Handlungsmöglichkeiten der UNO weiter schwächen, Ressourcen über viele Jahre verschwenden, die zivil viel besser eingesetzt werden könnten.